Ein Nachruf auf Uwe Baumgarten
Von André Schollbach
Es war in den 90er Jahren. Zusammen mit seiner Frau Katja war er gerade damit beschäftigt, die gemeinsame Wohnung vorzurichten. Er sagte nicht „renovieren“ dazu. Inmitten des Vorrichtens teilte er ihr beiläufig mit: „Gregor Gysi tritt heute auf. Eine Kundgebung in Regensburg. Da muss ich jetzt zusammen mit einigen Genossen hin.“ Die Tapezierbürste verfehlte ihn knapp. Die Tapeten mussten ohne ihn fertig gekleistert werden. Wenn es um die Partei ging – damals hieß sie noch PDS – kannte die Einsatzbereitschaft von Uwe Baumgarten fast keine Grenzen.
Das war auch 2014 so. Der Plakatierungsbeginn für die Kommunalwahl fiel ausgerechnet auf die Osterfeiertage. Blöder Zeitpunkt, aber auf Uwe war Verlass. Sollte ein Plakat hochgeschoben werden, leistete sein Gehstock, auf den er damals schon angewiesen war, gute Dienste. Irgendwann war dieses praktische Werkzeug beim Plakatieren abhanden gekommen. Trotz intensiver Suche konnte es zunächst nicht aufgefunden werden. Das gelang dann fünf Wochen später. Bei der Abplakatierung. In geradezu provokanter Gleichgültigkeit hing die gesuchte Gehhilfe an einem Gartenzaun herum und wartete auf Abholung.
Im folgenden Landtagswahlkampf akzeptierte Uwe schließlich zähneknirschend, dass sein Platz nicht mehr auf der Leiter war. Aber Autofahren ging noch. Und die Partei brauchte Unterstützung. Also machte er mit. Und während nun andere Genossinnen und Genossen die Plakate an die Masten brachten, wartete er geduldig im Auto und las – wie es sich gehört – das nd.
Über viele Jahre hinweg war Uwe der Vorsitzende des Ortsverbandes Dresden-West der Linken. Er fand Erfüllung in dieser Aufgabe. Immer wieder stellte er sich und Anderen die Frage, was noch besser gemacht werden könne, um die Partei voranzubringen. Und er zürnte mit jenen, die nach seiner Auffassung entweder nicht genug machten oder das Falsche. Er machte es Anderen – aber auch sich selbst – nicht immer leicht.
Gelegentlich schaute er spontan im Haus der Begegnung vorbei oder in der Fraktion im Rathaus. Dort hielt er ein Schwätzchen und erzählte, was ihn gerade umtrieb. Trotz sich zunehmend verschlechternder Gesundheit übte Uwe sein Mandat im Stadtbezirksbeirat Cotta unermüdlich aus. Eine Begebenheit ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. An einem ungemütlichen Winterabend zum Ende des Jahres 2023 stand der Antrag unserer Fraktion für den Erhalt des Luftbades Dölzschen auf der Tagesordnung im Stadtbezirksbeirat. Es hatte kräftig geschneit und die Wege waren vereist. Als ich dort ankam, traute ich meinen Augen kaum: Uwe, inzwischen auf den Rollstuhl angewiesen, saß ganz selbstverständlich auf seinem Platz. Er wollte sicherstellen, dass der Antrag eine Mehrheit bekommt. Dies gelang. Zunächst im Stadtbezirksbeirat und schließlich im Stadtrat.
Im vergangenen Frühjahr beging Uwe sein Parteijubiläum. Einst in die SED eingetreten, war er über die PDS bis hin zur Linken über fünf Jahrzehnte hinweg Mitglied in derselben Partei – und doch in sehr verschiedenen. Zwar haderte er gelegentlich mit dieser oder jener Entwicklung. Aber er gehörte zu jenen, die blieben und anpackten. Unsere Partei war auch ein Stück Heimat für ihn.
Am 16. November 2024 hat Uwe im Kreise der Familie seinen 70. Geburtstag feiern können. Das war sein letztes großes Ziel gewesen. Er hat es erreicht. Wenige Tage vor seinem Tod besuchte ich ihn noch einmal. Wir blickten gemeinsam zurück, scherzten zusammen und er wollte wissen: „Wie geht es der Partei?“
Am 26. Dezember 2024 ist Uwe Baumgarten friedlich eingeschlafen.
► Die Beisetzung findet am Freitag, dem 07. Februar 2025, um 13 Uhr auf dem Friedhof Cotta (Gorbitzer Straße 6 in Dresden) statt.