Kießling: Lassen Sie das Kahlschlagsszenario nicht Wirklichkeit werden!
Rede von Tilo Kießling im Jugendhilfeausschuss am 07. November 2024 zum Tagesordnungspunkt Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe 2025 Vorläufige Zuwendungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich einige einordnende Ausführungen zur aktuellen Vorlage und zu den angekündigten extrem hohen Kürzungen in der Förderung von Maßnahmen der freien Jugendhilfe machen. Basis unserer Diskussion sind verwaltungsinterne Budgetierungen für die nächsten beiden Jahre, die für die Geschäftsbereiche vorgesehen sind, von diesen dann mit eigener Priorisierung untersetzt werden können und am Ende als Entwurf eines Haushaltsplanes dem Stadtrat zur Beratung übergeben werden. Wir reden heute über eine Umsetzung des bisher bekannten Budgets. Dieses liegt ca 8,5 Millionen Euro pro Jahr unter dem, was der Status Quo an Mitteln erfordern würde und weit unter dem, was der Vorschlag des Jugendhilfeausschusses für die Mittelausstattung der Jugendhilfe war. Bereits die Ankündigung dieses Mangelbudgets hat ein verheerende Wirkung hinterlassen.
- Die Landeshauptstadt Dresden als örtlicher öffentlicher Träger der Jugendhilfe ist gemäß §79 SGB VIII in der Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Jugendhilfe. Insbesondere ist sie in der Gewährleistungsverpflichtung, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach SGB VIII erforderlichen und geeigneten Einrichtungen ausreichend zur Verfügung stehen.
- Mit dem Beschluß 1245/16, dem Beschluss zum Planungsrahmen, hat der Stadtrat eine nähere Beschreibung dafür geliefert was unter dem Begriff “ausreichend zur Verfügung stehen” gemeint ist, in dem eine gesamtstädtische Fachkraft-Kind-Relation gemäß dem erreichten Stand vom Oktober 2016 als fortzuschreibender Fachkräftebedarf beschlossen wurde.Diese Fachkraft-Kind-Relation ist dabei zu verstehen als Berechnungsgrundlage für die zur Verfügung gestellten Mittel, deren Verteilung nach fachlichen Kriterien dann letztentscheidend durch den Jugendhilfeausschuss vorgenommen werden muss.
- Laut Frankfurter Kommentar zum SGB VIII von Münder, Meysen, Trenczek , 6. Auflage, zu §79 SGB VIII ist die Wahrnahme der Gesamtverantwortung unter Einschluß der Planungs- und Finanzverantwortung eine objektive Pflichtaufgabe, die nach pflichtgemäßem Ermessen auszuführen ist.
- Mit der Information Nummer 12 zur Fortschreibung der Fachkräftebemessung 2024, die uns per Mail am 25. Oktober erreichte, konnten wir folgende Aussage zur Kenntnis nehmen, die ich hier zitiere: “Mit der Förderperiode 2023/24, die diese Bedarfe aufgriff, kann die Fachkräftebemessung erstmals quantitativ als nahezu umgesetzt beschrieben werden.”
- Dieser Erfolg kam allerdings nicht durch die Vorschläge der Stadtverwaltung, sondern durch den Stadtrat, der die eigene Bedarfsaussage ernst genommen hat. Er hat die Budgetansätze der Verwaltung regelmäßig nach oben korrigiert, und zwar wie folgt: Im Haushalt 2015/2016 um jeweils 3.000.000 Euro, im Haushalt 2017/2018 um jeweils 4.800.000 Euro, im Haushalt 2021/2022 um jeweils 1.500.000 Euro und im Haushalt 2023/2024 um 4.034.000 Euro/5.755.000 Euro. Der Haushalt 2019/2020, der Vollständigkeit halber will ich es erwähnen, war geprägt durch den Fraktionswechsel einiger SPD-Stadträte und damit dem Ende der rotrotgrünen Stadtratskooperation. Allein das Eingreifen des Stadtrates hat also zur Bedarfsgerechten Ausstattung der Jugendhilfe geführt, nicht die Vorschläge des Oberbürgermeisters. Auf diesen ist auch in guten Haushaltszeiten kein Verlass gewesen.
- Eine angedachte Finanzausstattung, die im Vergleich zum jetzigen Stand in den Stadträumen zu einer Reduktion um 17,5% in der Fachkräfteausstattung führt und die bei den stadtweiten Angeboten zu einer Kürzung von 20,25 VzÄ aus dem Bestand von 52,72 VzÄ 2024 führt (entspricht einer Reduktion um 38%), kann nicht anders interpretiert werden als ein Bruch der Verpflichtung nach §79 SGB VIII. Folgt der Stadtrat im nächsten Jahr, wenn der Haushalt beschlossen wird, diesem Verwaltungsvorschlag, so wäre das Ermessen hier nicht pflichtgemäß ausgeführt.
- Die Folgen:
- Der Jugendhilfeausschuss kann die Vorlage nur unter dem Gesichtspunkt eines aus der Not geborenen Vorfinanzierungsvorschlages akzeptieren, die möglichst schnell durch eine bedarfsgerechte Finanzausstattung des Jugendamtes korrigiert werden muss.
- Sollte der Oberbürgermeister und dann nach der Vorlage des Haushaltsplanentwurfes auch der Stadtrat bei dieser Mittelausstattung bleiben, sind neben einer Prüfung möglicher rechtlicher Folgen auch die vom Stadtrat selbst gemachten Bedarfsaussagen nichtig. Damit wäre eine Weiterführung der darauf aufbauenden Planungsprozesse wie im Beschluß des Planungsrahmens 1245/16 beschrieben, nicht mehr möglich.
- Ich kann nur an alle Beteiligten appellieren: Lassen Sie das Kahlschlagsszenario dieser Vorfinanzierungsvorlage nicht Wirklichkeit werden.
► Informationen zur Vorlage V2960/24 Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe 2025 Vorläufige Zuwendungen sind hier zu finden.
07. November 2024