Mehr Kapazitäten für psychosoziale Beratungen schaffen
Anhörung zum interfraktionellen Antrag »Sozial aus der Krise!« zeigt Bedarfe während der Corona-Pandemie in Dresden auf
Die Fraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SPD haben einen gemeinsamen Antrag eingereicht, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie vor allem im Sozial- und Jugendhilfebereich in den Fokus zu rücken (A0200/21). Hierzu fand am 10. November 2021 eine öffentliche Anhörung statt. Ziel des Antrags ist es, die bestehenden Strukturen sozialer Einrichtungen und Angebote auf ihre Belastbarkeit während der Krise und der sicher noch auf längere Sicht anhaltenden Folgewirkungen zu prüfen sowie ggf. auf neue Bedarfe hin auszurichten.
Manuela Scharf, die Seniorenbeauftragte der Stadt Dresden, stellte das Statement der Beauftragten der Landeshauptstadt Dresden »Was lernen wir in Dresden aus unserem Umgang mit der Corona-Pandemie? Corona lessons learned« vor. Als weitere Sachverständige berichteten u. a. Heidi Hemman (Straßensozialarbeit, Team Safe Dresden), Frau Haubold (Beraterin Seniorenarbeit DPDV) und Frau Bindrich (psychologische Beratung für Frauen im *sowieso* Frauen für Frauen e.V.) von ihren Erkenntnissen aus der Beratungsarbeit.
Diese Erkenntnisse ziehen die sozialpolitischen Sprecher*innen der drei Stadtratsfraktionen aus der Anhörung:
Pia Barkow (DIE LINKE)
»Für alle Zielgruppen lässt sich feststellen, dass insbesondere die Psychischen Belastungen massiv zugenommen haben. Wir brauchen dringend mehr Kapazitäten für psychosoziale Beratungen, um die Menschen unterstützen zu können. Ebenfalls deutlich wurde, dass die Belastung und der Druck vor allem bei jenen am größten ist, die neben allen anderen Dingen auch finanzielle Sorgen haben. Die Lasten der Krise treffen leider diejenigen am härtesten, die sowieso schon immer stark belastet sind und finanziell prekär leben. Wir müssen den Sozialbereich in Dresden unbedingt gut aufstellen, die Strukturen erhalten und in den Bereichen psychosozialen Beratung ausbauen, damit diese Ungerechtigkeit sich nicht noch weiter verschärft. Denn klar ist, die Krise ist noch längst nicht vorbei und die Auswirkungen dieser Belastungen werden noch lange Zeit bestehen bleiben..«
Tina Siebeneicher (GRÜNE)
»Die Straßensozialarbeiter*innen waren in den Monaten der Kontaktbeschränkungen und aufgrund des Notbetriebs von sozialen Einrichtungen für Hilfesuchende die erste und oft wichtigste Anlaufstelle. Die Investitionen der letzten Jahre u. a. in die mobile Jugendarbeit und Straßensozialarbeit für Erwachsene haben sich ausgezahlt. Hier darf auch in Zukunft nicht gespart werden. Für Wohnungslose wurden in der Pandemie die Kapazitäten der Notunterbringung erweitert, dennoch stellte die Verdrängung aus dem (halb-)öffentlichen Raum Dresden vor neue Herausforderungen. Ich denke, wir sollten vor diesem Hintergrund den Bedarf an Tagestreffs noch einmal diskutieren. Positive Effekte der Corona-Pandemie sollten erhalten werden. Das betrifft vereinfachte Antragsverfahren für Leistungen beim Jobcenter und dem Sozialamt oder die flexible Umgestaltung von Angeboten. In der Jugendarbeit fanden beispielsweise mehr 1:1‑Beratungsgespräche bei einem Spaziergang statt und neue Zielgruppen wurden durch neue digitale Angebote erreicht. Corona hat viele Menschen – jung wie alt – an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht und Einsamkeit verstärkt. Es braucht akute Hilfsangebote und Notfall-Sprechstunden bei den sozialpsychiatrischen Diensten der Stadt, in der Suchtberatung, aber auch für überforderte Familien. Mittel- und langfristig muss geprüft werden, wie die Stadt dem höheren Beratungsbedarf in den sozialen Diensten gerecht werden kann.«
Vincent Drews (SPD)
»Die Anhörung hat deutlich gezeigt, dass die Corona-Pandemie ein Belastungstest für unsere Gesellschaft, aber auch für unsere Hilfestrukturen ist. Dabei wurden in den vergangenen eineinhalb Jahren die Grenzen oft erreicht, manchmal überschritten. Probleme wie Überforderung, Hilflosigkeit, Vereinsamung aber auch Gewalterfahrungen haben in der Pandemie zugenommen. Gleichzeitig waren Hilfen schwerer zu erreichen, weil Kontaktbeschränkungen und Schließungen notwendig wurden. Diese Schilderungen der Expert*innen zeigen gut, dass eine Auswertung der Veränderungen durch Corona in Dresden unbedingt notwendig ist und der gemeinsame Antrag von Grünen, Linken und SPD den richtigen Weg geht. Nur so können wir gestiegene Bedarfe entdecken und ausgleichen sowie Fehler der vergangenen Monate nicht wiederholen. Die Expert*innen haben dafür viele gute Anregungen gegeben, die wir weiterverfolgen werden.«