Obdachlosigkeit bekämpfen, nicht Obdachlose!

Die Fraktion DIE LINKE hat ihre ehemalige Stadträtin Rica Gottwald und ihre Jugendweihegruppe vom Verein »Roter Baum« bei einer Petition zur Schaffung von Hilfsangeboten für Obdachlose unterstützt. Wir sprachen mit ihr über ihr Engagement.

 

Rica, wie entstand die Idee der Petition?

Zu Beginn eines neuen Schuljahres startet beim Projekt Jugendweihe des »Roten Baumes« eine sehr spannende Zeit. Junge Menschen, alle ca. 14 Jahre, aus unterschiedlichsten Stadtteilen und Schulen, bereiten sich mit unserer Hilfe auf das Erwachsenwerden, auf ihre Jugendweihe, vor. Das diesjährige Motto lautete »Das gute Leben«. Wir fragten uns, was das »Gute Leben« wohl ist. Jeder Mensch versteht darunter unterschiedliche Dinge. Aber und da waren wir uns sehr schnell einig: Dieses gute Leben gelingt ganz sicher nicht, wenn es nur mir selbst gut geht. Ungerechtigkeiten fanden alle ziemlich mies, aber leider gibt es derer viel zu viel. Und schnell war allen klar, dass es nicht reicht, Zustände nur zu beklagen und zu hoffen, dass es sicher jemanden geben wird, der sich darum kümmert. Wir wollten gemeinsam aktiv werden. Am drängendsten fanden wir gerade während der Corona-Pandemie, bei der alle dazu aufgerufen wurden, solidarisch zu sein und zu Hause zu bleiben obdachlosen Menschen zu helfen.

 

Wo siehst du beim Thema Obdachlosigkeit konkret Handlungsbedarf in Dresden?

Zuerst muss ganz dringend klargestellt werden, dass es richtig und wichtig ist, die Obdachlosigkeit zu bekämpfen, nicht aber die Menschen in dieser Notlage.
Wir haben uns, bevor es zur Petition kam, sehr intensiv mit dem Thema befasst. Wir haben uns mit Menschen getroffen, die schon in dem Bereich tätig sind, wie der Treberhilfe oder Bettellobby. Und plötzlich hatten wir viele Ideen, die zum Teil auch schon in anderen Städten erfolgreich praktiziert werden. Wir erkannten, dass nachhaltig etwas gegen Obdachlosigkeit zu tun, sehr lange dauern kann und leider auch dauern wird. Deshalb haben wir zwischen sofort umzusetzenden Handlungen und solchen, die gut vorbereitet auch schnell begonnen werden müssen, aber erst später wirken, differenziert. Und es war uns auch klar, dass individuelle Hilfe nett ist, aber hier grundlegende systemische Änderungen notwendig sind. Dafür müssen wir die Politiker:innen und die Menschen ansprechen und in die Pflicht nehmen.

 

Was hast du dir im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Petition seitens des Stadtrats und der Verwaltung gewünscht?

Eigentlich wollten wir ja, dass der Stadtrat sich ohne Petition um die Belange kümmert. Wir wollten gern, dass eine Fraktion unsere Wünsche aufnimmt. Leider erkannten wir, dass die politischen Mehrheitsverhältnisse so kompliziert sind, dass das keine Aussicht auf Erfolg gab. Es wäre super, wenn nicht nach Gründen gesucht wird, warum man selbst nicht handelt, sondern bei solchen menschlichen Tragödien jede:r helfen will. Auch Gesetze können falsch sein. Dann müssen sie geändert werden.

 

Welchen Beitrag leistest du als Privatperson bereits jetzt zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit?

Als Lehrerin mache ich meine Haltung deutlich und versuche Schüler:innen und Kolleg:innen zu sensibilisieren. Darüber hinaus engagiere ich mich bei der Partei »Die Linke« und arbeite mit Jugendweihlingen. Als Stadträtin habe ich mich damals stark gemacht, die Straßenschule zu retten. Und natürlich gebe ich auch ab und zu mein Kleingeld an diese Menschen, oder Leergut. Aber das hilft nur punktuell und kurzweilig.

 

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