Drohende Einschnitte bei der DVB Rede von Stadtrat Jens Matthis
Vor einigen Wochen wurden Pläne in der Öffentlichkeit bekannt, nach denen der DVB AG erhebliche Einschnitte drohen: Kürzungen im Liniennetz, Reduzierungen beim Angebot, Personalabbau und Preiserhöhungen. Die Fraktion DIE LINKE hat sich mit den daraus resultierenden gravierenden Folgen für den ÖPNV in Dresden auseinandergesetzt und dieses Problem zum Thema in der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause gemacht.
Hier könnt ihr die Rede von Stadtrat Jens Matthis vom 23. Juli noch einmal nachlesen. Ihr findet diese auch in unserer aktuellen Fraktionszeitung, Ausgabe 5.
„Wissen Sie noch, was ein einfacher Fahrschein für Bus oder Straßenbahn 2004 gekostet hat? Es waren 1,60 Euro, 2019 waren es 2,40 Euro (2020: 2,50 Euro). In 15 Jahren ist der Preis also um genau 50 Prozent gestiegen. Noch etwas stärker ist in diesem Zeitraum der Preis für eine Abo-Monatskarte gestiegen, nämlich um 53 Prozent.
Nun kann man sagen: Preise steigen, Löhne steigen, eine gewisse Inflation gehört nun einmal dazu. Aber Achtung: Die Durchschnittslöhne sind währenddessen nur um 37 Prozent gestiegen. Straßenbahnfahren ist also nicht nur gefühlt, sondern auch im Verhältnis zum Einkommen teurer geworden, allerdings nur für den Fahrgast. Für die Stadt ist es in der gleichen Zeit viel billiger geworden. 2004 waren es 55 Millionen Euro Zuschuss an die DVB, 2019 nur noch 42 Mio. Euro. Allerdings ist die Dresdner Bevölkerung gewachsen, sodass der Zuschuss pro Dresdner Kopf von 112,24 Euro auf nur noch 75,50 Euro, also um ein Drittel sank. Man muss noch wissen, dass die DVB in dieser Zeit gewachsen sind: Mit mehr Beschäftigten, mit mehr und besseren Fahrzeugen wurden wesentlich mehr Fahrgäste befördert, 2004 waren es 138 Millionen, 2019 dagegen 164 Millionen, also ca. 19% mehr. Der Zuschuss pro Bahn- oder Busfahrt ist also sogar von 40 Cent auf 25 Cent gesunken.
Wie ist zu erklären, dass die Fahrpreise überproportional gestiegen, der Zuschuss aber gegen den Trend gesunken ist? Dahinter verbirgt sich eine Strategie mit dem Namen »Nutzerfinanzierter ÖPNV«. Obwohl diese niemals öffentlich diskutiert und in keinem demokratischen Gremium jemals beschlossen wurde, war sie seit den frühen 2000er Jahren bundesweit handlungsleitend für die öffentlichen Verkehrsunternehmen und Zweckverbände, wann immer es um die »Anpassung« der Tarife ging. Es wurden also nicht etwa nur gestiegene Dieselpreise und wachsende Lohnkosten für die Beschäftigten ausgeglichen, sondern die Kosten des ÖPNV wurden peu à peu von der öffentlichen Hand auf die Fahrgäste verlagert, ganz im Zeichen des neoliberalen Glaubens an den »Markt«. Heute wissen (fast) alle, dass diese Strategie völlig untauglich ist, wenn man in der Verkehrspolitik die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen will. Im Gegenteil: Die öffentliche Hand muss überproportional in neue Strecken, größere Fahrzeuge, Elektrifizierung der Busflotte, Fachkräfte und nicht zuletzt in attraktive Tarife investieren, die mehr Menschen davon überzeugen, ihr Auto öfter stehen zu lassen und stattdessen mit Bus oder Bahn zu fahren. In Sachsen gibt es ab August für Kinder- und Jugendliche ein Monats-Abo für 15 Euro (Bildungsticket). Das ist ein guter Anfang. Dass es noch besser geht, zeigt Berlin, wo der Nahverkehr für Kinder und Jugendliche bereits kostenlos ist. Was Dresden jetzt braucht, ist eine Diskussion über eine zeitgemäße Nahverkehrspolitik, über notwendige neue Trassen, über den richtigen Weg zur Elektrifizierung der Busflotte (Hybrid-Oberleitungsbusse vs. reiner Batteriebetrieb) und über das dafür notwendige Geld. 65 Millionen Euro städtischer Zuschuss für die DVB sind keineswegs unverschämt, sondern das absolute Minimum. Und damit wird noch nicht einmal das in letzten 15 Jahren entstandene Missverhältnis ausgeglichen.“
Oder ihr hört euch seine Rede hier noch einmal an: