Moralische Verwahrlosung
Am 10. November 2020 versuchte die Polizei zu nachtschlafender Zeit einer in einer Dresdner Jugendhilfeeinrichtung untergebrachten Minderjährigen habhaft zu werden und diese abzuschieben. Der Dresdner Jugendhilfeausschuss hatte sich bereits intensiv mit der Praxis der Abschiebung Minderjähriger beschäftigt, dazu eine Anhörung durchgeführt und Beschlüsse gefasst, die dazu führen sollten, dass die Praxis der Abschiebung minderjähriger strikt am Kindeswohl gemessen wird und weitestgehend aufhört.
Auch der oben genannte Fall war Gegenstand der Debatte im Ausschuss. Nunmehr erreicht uns eine Stellungnahme der Landesdirektion, gezeichnet durch den Vizepräsidenten Walter Bürkel (siehe Anhang).
Zu diesem Schreiben erklärt Stadtrat Tilo Kießling, Mitglied im Jugendhilfeausschuss:
Die Haltung der Landesdirektion entsetzt mich. Ich habe selten eine amtliche Stellungnahme gesehen, die ein solches Maß an moralischer Verwahrlosung erkennen lässt. Wer drohende Abschiebungen und deren versuchten polizeilichen Vollzug nachts um 3 Uhr als Teil der Realität einer 15-Jährigen beschreibt, dem ist offenbar die Menschenwürde egal.
Weiterhin erklärt er:
“Die Jugendhilfe hat das Mandat, Kinder und Jugendliche auch vor kindeswohlgefährdendem Handeln anderer staatlicher Stellen zu schützen. Eine Rechtsaufsichtsbehörde hat das zu würdigen und nicht, wie in vorliegendem Schreiben dargelegt, die Mitarbeiter:innen der Jugendhilfe zu Knechten der Abschiebungsbehörde zu degradieren.”
Anhang:
Stellungnahme der Landesdirektion
Schreiben Landesdirektion zum Thema Kindeswohl im Rahmen einer aufenthaltsbeendenden MaßnahmePDF-Datei (977,78 KB)