Offener Brief an Oberbürgermeister Hilbert: Maßnahmen von Bund und Land werden durch Stadtspitze konterkariert

Hier der offene Brief unseres Fraktionsvorsitzenden André Schollbach sowie der Vorsitzenden des Stadtverbandes Anne Holowenko und Jens Matthis an den Oberbürgermeister Dirk Hilbert:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

gestatten Sie, dass wir uns als Vertreter*innen der LINKEN in der Stadt Dresden mit diesem offenen Brief an Sie wenden. Unmittelbarer Anlass ist die bevorstehende Haushalts- und Finanzklausur mit den Beigeordneten sowie den Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates.

Dresden hat die zurückliegende (erste) Welle der Corona-Pandemie vergleichsweise gut überstanden. Die Zahl der Neuinfizierten ist derzeit gering, das städtische Gesundheitsamt hatte die Situation jederzeit unter Kontrolle. Die Dresdner Krankenhäuser – darunter auch das Städtische Klinikum – haben kurzfristig erhebliche zusätzliche Behandlungskapazitäten geschaffen, welche bisher glücklicherweise nicht benötigt wurden.

Weniger glimpflich stellt sich die Situation für viele gesellschaftliche Bereiche dar, die während des „Lockdown“ ihre Tätigkeiten faktisch einstellen oder zumindest drastisch einschränken mussten. Auf einigen Feldern ist gegenwärtig keine Besserung absehbar, zumal wesentliche Einschränkungen – insbesondere das Verbot größerer Veranstaltungen – wegen der fortbestehenden Infektionsgefahr aufrechterhalten werden. Am härtesten trifft es die Dresdner Kunst- und Kulturlandschaft, aber auch die Gastronomie, den Handel und den Tourismus – wichtige Bereiche, die unsere Stadt attraktiv und lebenswert machen. Zudem sind die Träger sozialer Arbeit erheblich belastet

Wir anerkennen bei aller Kritik im Detail, dass erhebliche Bemühungen sowohl der Bundesregierung als auch der Sächsischen Staatsregierung unternommen wurden und werden, um den Kommunen zu helfen und die wirtschaftlichen Folgeschäden des „Lockdown“ zu begrenzen. Der Tenor aller Hilfspakete lautet: Die Kommunen müssen voll handlungsfähig bleiben, um die jetzt vor uns liegenden Herausforderungen meistern zu können. Zwar sind die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahmen für die Landeshauptstadt Dresden noch nicht genau zu beziffern.

Wir haben jedoch mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass der Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, angesichts des Hilfspaketes der Bundesregierung sogar von der Möglichkeit ausgeglichener Haushalte sprach. Es ist davon auszugehen, dass die finanzielle Ausgangslage in Dresden infolge der Corona-Pandemie grundsätzlich nicht schlechter sein dürfte als jene der Stadt Leipzig.

Umso befremdlicher finden wir es, wenn von der Spitze der Landeshauptstadt Dresden politische Zeichen gesetzt und Entscheidungen getroffen werden, welche die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen nicht mildern, sondern die auf Bundes- und Landesebene eingeleiteten umfangreichen Maßnahmen geradezu konterkarieren.

Wir haben kein Verständnis dafür, dass in der Landeshauptstadt Dresden im Unterschied zu nahezu allen anderen sächsischen Kommunen weiterhin eine Haushaltssperre in Kraft ist, obwohl die Kommunen durch die Sächsische Staatsregierung im Wege eines Erlasses vom 27. Mai 2020 ausdrücklich von der Verpflichtung zur Verhängung von Haushaltssperren entbunden wurden, soweit diese auf pandemiebedingten finanziellen Auswirkungen beruhen würden.

Noch weniger Verständnis haben wir dafür, dass, wie durch den Beigeordneten für Finanzen gegenüber dem Finanzausschuss mitgeteilt, der Entwurf des Doppelhaushaltes 2021/22 drastische finanzielle Kürzungen enthalten soll. Hiernach ist von einer pauschalen Reduzierung der Haushaltsansätze in Höhe von zwölf Prozent in allen Geschäftsbereichen auszugehen. Ausgenommen hiervon soll nur das von der Landeshauptstadt unmittelbar bezahlte Personal sein – nicht jedoch jenes bei den für ihre soziale und kulturelle Tätigkeit geförderten Vereinen, Verbänden und Einrichtungen.

Stellt man in Rechnung, dass die meisten Aufgaben der Stadt nicht kürzbare Pflichtaufgaben sind – und pflichtige Sozialleistungen werden infolge der Corona- Pandemie zweifellos erheblich ansteigen –, folgt daraus, dass für sogenannte „freiwillige“ Aufgaben wenig bis nichts übrig bleiben wird.

Die Kürzungen im kulturellen und sozialen Bereich würden alles bisher Gekannte in den Schatten stellen. Vieles, was in den vergangenen Jahren in Dresden geschaffen und aufgebaut wurde, würde wieder zerstört. Dieses Vorgehen ist nicht mit finanzpolitischer Vorsicht zu begründen, sondern es ist gesellschaftspolitisch und wirtschaftlich verantwortungslos. Es droht die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht zu mildern, sondern erheblich zu verschärfen. Treffen würde das diejenigen, die durch den „Lockdown“ ohnehin schon wirtschaftlich schwer geschädigt sind.

Deshalb werden in dieser besonderen Situation zusätzliche finanzielle Impulse benötigt, aber keine Kürzungen.

Wir fordern Sie daher dringend auf, diesen falschen Weg nicht weiter zu beschreiten, sondern die Weichen in eine andere Richtung zu stellen, die positiven Impulse von Bundes- und Landesebene aufzugreifen und durch eigenes kommunales Handeln zu verstärken.

Mit freundlichen Grüßen

André Schollbach
Vorsitzender DIE LINKE. Fraktion im Dresdner Stadtrat

Anne Holowenko
Vorsitzende DIE LINKE. Stadtverband Dresden

Jens Matthis
Vorsitzender DIE LINKE. Stadtverband Dresden